Zurück zu uns selbst – Kurzartikel vom 12.02.2017

Digitalisierung soll uns das Leben komfortabler und leichter machen. Und in der Tat empfinden wir die alltäglichen Helfer, die uns heute permanent begleiten, als sehr angenehm. Wir werden an unsere wichtigen und unwichtigen Termine erinnert, unser persönliches Zeitmanagementsystem unterstützt uns, die anfallenden Aufgaben gut und ohne allzu großen Stress zu absolvieren. Ein Smartphone ist aus dem geschäftlichen sowie privaten Leben nicht mehr wegzudenken. Würden wir es verlieren, käme das einer Katastrophe gleich. Unser zweites Gehirn würde ausfallen, und damit all die Applikationen, die doch so wichtig erscheinen, ein zeitgemäßes und modernes Leben zu führen.

Wer würde nun den Tag über meine Schritte zählen, damit ich weiß, wie viele Kalorien mein Abendessen umfassen darf oder ob ich noch die Trainingshose anlegen muss? Vielleicht hätte ich eine wichtige Information aus der Eltern-Whatsapp-Gruppe meiner Kinder verpasst und wäre nicht im Bilde, dass mancher Lehrer zu viel oder gar zu wenig Hausaufgaben aufgegeben hat?

Doch worauf will ich hinaus? Wir lieben sie, diese Helfer unseres alltäglichen Lebens – die Errungenschaften unserer postmodernen digitalisierten Gesellschaft, die wir durch eigene Leistung und den Willen nach neuem Wissen tatkräftig leben sollten. Es bleibt die Frage, ob wir durch sie freier werden oder ob uns die Phänomene des digitalen Wandels eher versklaven und wir uns dadurch selbst Fesseln auferlegen.

 

Apps bestimmen unsere Work-Life-Balance. Smartphones dirigieren uns durch die Straßen, so dass wir bereits Bodenampeln benötigen, da wir scheinbar den Blick aufs Wesentliche verloren haben. Oder heißt es, dass das Wesentliche dem Smartphone entstammt? Es zeigt uns an, dass neue Nachrichten von Gott und der Welt geschrieben wurden, neue Emails auch nach Feierabend eingetroffen sind, die möglichst bereits bearbeitet hätten sein sollen.

 

Wissen rufen wir heute in Wikis oder einschlägigen Suchmaschinen ab, um es nach Erhalt sofort wieder aus dem Gedächtnis zu löschen. Schließlich brauchen wir darin Platz für all die neuen und unaufhörlich eintreffenden Infos, die uns sogar behelligen, wenn wir anscheinend gemütlich mit der Familie zu Abend essen. Was wird aus einer Familienkultur, die am Esstisch zusammensitzt und vom Schweigen der anwesenden Smartphone-User überschattet wird?

Wir können uns glücklich schätzen, in der Welt von heute zu leben – in all dem Komfort und den Weiterentwicklungen brillanter Menschen, die den Weg mit ihrem Forschungsdrang hierher geebnet haben.

 

Wir sollten allerdings auch uns selbst im Blick haben. Wir laufen ohnehin Gefahr, eine Gesellschaft zu werden, deren stete Begleiter sich als Burn-Out und Depression erweisen. Wo bleibt der einzelne Mensch auf dem Rummelplatz der digitalen Welt, wo findet er seinen Platz?

Leider entwickeln sich unser Aufnahmevermögen und unsere kognitive Verarbeitung nicht in der Schnelligkeit mit, um in dieser schnelllebigen Zeit als gesunder Mensch standzuhalten.

 

Reflexion

Wir brauchen den Rückzug zu uns selbst. Wir benötigen die Reflexion, müssen aktiv verarbeiten, was wir erleben und sollten unseren Stand-by-Punkt kennen, der uns wieder mit Energie versorgt, der uns Zeit schenkt, die nur wir uns geben können – für Gespräche mit anderen, für Gedanken, die uns als Persönlichkeit reifen lassen und uns auf unser ureigenes Leben, das wir führen sollen und wollen, optimal unterstützt. Dafür gibt es keine Apps, hier benötigen wir ein Feingefühl für uns selbst – vielleicht auch eines, für das wir angeleitet werden. Wir werden in den nächsten Jahren immer mehr den Drang verspüren, in die sicheren Schutzzonen unseres Selbst einkehren zu wollen und werden daran scheitern, weil wir es vergessen haben, sie zu schaffen oder sie zu kennen.

 

Zurück zu uns selbst, weil wir hier die Basis unserer Zukunft aufbauen und behalten, um den Sinn, die Würde und das jeweilige individuelle Leben wertschätzen zu können. Und das kommt jedem und jeder Einzelnen zugute.

Ihr Wolfgang M. Ullmann

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